DIE FARBEN UND KÜNSTE

 "De artibus et coloribus romanorum" heißt das Buch des spätantiken Autors Eraclius. In diesem Band sind einige (zum Teil etwas seltsame) Rezepte zur Farbherstellung und -verarbeitung gesammelt; neben Plinius und Vitruv ist Eraclius die wichtigste Primärquelle in meinem Bücherschrank. Daneben gibt es ein paar Regalmeter weitere antike und moderne Bücher, die alle mehr oder weniger um das Thema "Kunst in der Antike" kreisen (mit dem Fokus auf Rom und dem noch genaueren Fokus auf das späte erste Jahrhundert). Dazu kommen einige Reisen innerhalb des Imperiums, Museumsbesuche und nicht zuletzt das Lernen von Leuten, die um einiges schlauer sind als ich: so habe ich mir mein Wissen zusammengetragen.

 

Aber Wissen ist nicht alles, wenn es um Kunst geht, kommt auch Können dazu. Ich habe Grafikdesign/Kommunikationsdesign studiert und arbeite jetzt (2016) seit 24 Jahren in diesem Beruf. "Malen" ist trotzdem was ungewohntes für jemanden, der seit 1990 überwiegend mit Computern zu tun hat. Na ja, man tut, was man kann. 

DIE PIGMENTE

Der römische Universalgelehrte Plinius der Ältere teilt im 35. Buch seiner "Naturgeschichte" die Malerfarben in zwei Kategorien: "erdige Farben" (umidus) und "Blühende Farben" (floridus). Genauer gesagt: er redet von Pigmenten, die zu Farben verarbeitet werden können.

 

Was unterscheidet diese beiden Klassen von Farben außer ihrer (wie der Name sagt) Leuchtkraft? Ihr Preis. Während es sich bei den Erdfarben überwiegend um häufig vorkommende, leicht zu verarbeitende und deshalb billig verfügbare  Pigmente wie z. B. Ocker, Umbra, grüne Erde oder Bleiweiss handelt, sind die blühenden Farben selten und schwer zu verarbeiten: Azurit (blau), Malachit (grün), Zinnober (rot), um ein paar Beispiele zu nennen. Diese Farben wurden separat berechnet und eingesetzt. Wenn die Gattin des Kaisers Augustus, Livia, in ihrer Sommerfrische einen riesigen Speisesaal als "Garten" mit Bäumen, Blumen, Obst, Vögeln und vor allem einem blauen Himmel ausmalen ließ, so handelte es sich dabei um ein Statement.

 

Einige dieser Pigmente wurden künstlich – chemisch – erzeugt, wie z. B. Bleiweiss, Mennige oder "ägyptisches Blau". Einige waren giftig, wie z. B. Bleiweiss oder die "Goldfarbe" Auripigment (einer Arsenverbindung). Diese Gifte waren den Menschen bekannt; es ist auch nicht überliefert, dass Künstler an Farbvergiftung starben.

Oben (in Fläschchen, von links): Azurit, Indigo aus Waid, Ägyptischblau. Erste Reihe (Töpfchen): Azurit, Goldocker, Grüne Erde. Mittlere Reihe: Reseda, Kreide, Zinnober, Galläpfel (im Körbchen). Untere Reihe: Krappwurzeln, Rötel, roter Ocker.
Oben (in Fläschchen, von links): Azurit, Indigo aus Waid, Ägyptischblau. Erste Reihe (Töpfchen): Azurit, Goldocker, Grüne Erde. Mittlere Reihe: Reseda, Kreide, Zinnober, Galläpfel (im Körbchen). Untere Reihe: Krappwurzeln, Rötel, roter Ocker.

TEMPERA-MALEREI

Damit Pigmente an z. B. einer Holztafel kleben bleiben und nicht herunterfallen benötigt man ein Bindemittel, das älteste bekannte Bindemittel in der Malerei ist die Ei-Tempera. "Tempera" ist einfach nur das italienische Wort für "Mischung" und rein theoretisch gibt es eine ganze Menge Inhaltsstoffe, die verwendet werden können; bei der Ei-Tempera reduziert sich das auf Ei, Leinöl und Wasser. Dieses schöne Rezept habe ich von Prof. Kremer, der die wundervolle Firma Kremer-Pigmente leitet.

 

Dazu schlägt man das Ei vorsichtig an der Spitze auf, gerade so, dass es als Becher verwendet werden kann. Das Ei (das ganze, auch das Eigelb) kommt in ein Mischgefäß. Anschließend füllt man das Ei mit Leinöl und noch einmal mit Wasser. Durch den "Eierbecher" hat man nun ziemlich präzise ein Verhältnis von 1 : 1 : 1.

 

Dann wird gerührt – und je nach Frische des Eis dauert das unterschiedlich lange, aber es sollte so lange dauern (etwa fünf Minuten), bis die Fettaugen kleingerührt sind. Dann werden löffelchenweise Tempera und spatelchenweise Pigment vermischt, bis die Farbe so sämig ist wie Senf oder Ketchup.  

 

Ich muss fairerweise anmerken, dass dieses alte Rezept nicht in der Antike dominant war. Durch den im Ei enthaltenen Schwefel wird das Blei im universal angewandten Bleiweiß angegriffen, die Farbe verfärbt sich gräulich. Die antiken Maler arbeiteten wahrscheinlich eher mit Fruchtbaumgummi als Bindemittel; ich habe bereits Versuche angestellt,  aber noch keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt. 

Kleine Eier von kleinen Hühnern sind besonders gut geeignet – zum einen bleibt die Menge des hergestellten Bindemittels überschaubar, zum anderen kann man mehrmals am Tag vorführen, wie man Tempera herstellt :-)
Kleine Eier von kleinen Hühnern sind besonders gut geeignet – zum einen bleibt die Menge des hergestellten Bindemittels überschaubar, zum anderen kann man mehrmals am Tag vorführen, wie man Tempera herstellt :-)

ENKAUSTIK

Diese Maltechnik ist bekannt durch die überwältigenden Mumienportraits, die Flinders Petrie Ende des 19. Jhs. in Fayyum/Ägypten ausgegraben hat. In der Rekonstruktion wird es ein bisschen abenteuerlich. Die Forscher zu diesem Thema der "heiß aufgetragenen Wachsfarbe", Berger und Schmid, haben Anfangs des 20. Jhs. Wachs, Harz und Leinöl als Grundbestandteile des Bindemittels identifiziert, sich jedoch beim Mischungsverhältnis nicht festgelegt (Schmid hat sogar ein Patent auf seine Formel angemeldet). Meine eigenen Forschungen im Sommer 2014 brachten die besten Ergebnisse mit einer Mischung, die – wie bei der Tempera – zu drei gleichen Gewichtsteilen besteht. Als Besonderheit muss ich erwähnen, dass ich flüssiges Harz genommen habe, also getrocknetes Harz mit Terpentin wieder in seinen "frischen" Zustand zurückversetzt habe. Damit habe ich vermutlich eines der größeren Probleme von Schmid umschifft, der sich über das "Fädenziehen" der Farbe bei zuviel Harz beschwert hat.

 

Enkaustik ist die Malerei der "hohen Kunst" der Antike, ihre Handhabung und Tricks erfordern ein hohes Maß an Könnerschaft, für das ich zeitlich einfach keine Ressourcen habe (ich mache das in meiner Freizeit, nicht wahr?). Im Gegensatz zur "Gebrauchsgrafik" der Tempera gibt es viele Stellen in der antiken Literatur, wo auf die Wachsmalerei Bezug genommen wird, und sogar Bilder, auf denen Maler zu sehen sind. Wir wissen auf diese Weise, dass es verschließbare Malkästen mit aufgeteilten Farbnäpfen gab, dreibeinige Staffeleien, Malspatel aus Metall, die über einer Hitzequelle (glühende Kohlen) erhitzt wurden. Die Herausforderung ist einfach: wenn ich nicht auf eine gleiche Art und Weise malen kann, mache ich etwas falsch.

 

Die Experimente mit dieser Technik sind noch nicht abgeschlossen :-) Ach ja, übrigens: das berühmte "punische Wachs" hat übrigens mit dieser Maltechnik nichts zu tun, das ist eine reine Polierpaste.