Anfang 2017 erfuhr ich von einem Nachbauprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen; ein hochkaiserzeitliches Boot vom Typ Oberstimm 2 sollte gebaut werden. Ich nahm Kontakt auf, unterbreitete Pläne zur Erforschung der Farben und bekam die Zusage zur Kooperation (im Falle des Erfolgs der Versuche).
Hier ist ein Ausschnitt aus einem Video der FAU von meiner Teilnahme am "FAN" Projekt (subtitles in English are available). Das komplette Video (mit Vorspann und Abspann, wer das haben möchte)
gibt es hier, genauso wie die anderen Teile der Video-Dokumentation:
https://www.video.uni-erlangen.de/collection/clip/4/8926
Übrigens: trotz des Namensschildchens habe ich zu Kremer Pigmente keine Beziehung außer der eines glücklichen Kunden. Das Namensschildchen, genau wie der Kittel, stammt von einem Workshop dort vor vielen Jahren.
Römische Kriegsschiffe waren bemalt, dazu gibt es unmissverständliche Textstellen bei mehreren Autoren, insbesondere Plinius und Vegetius und einen Schatz an zeitgenössischen Abbildungen auf Fresken und Mosaiken. Ernst Berger stellte 1904 die These auf, dass eine Zunahme von Leinöl und eine Abnahme des Wachs in der für den Schiffsbau verwendeten Farbe zur modernen Leinölfarbe führte; diese These erwies sich als nicht praktikabel: mehrere Versuche mit mehr oder weniger Leinöl in der Wachsfarbe zeigten ein zu langes Trocknen, ein Abblättern der Farbschicht und Rissbildung, je mehr Leinöl in der Farbe enthalten war.
Bessere Ergebnisse zeigte tatsächliches "Einbrennen" der Farbe mit Feuer. Reines Wachs, mit Pigment vermischt, konnte so zu einem glatten und halbwegs rissfesten Anstrich verarbeitet werden.
Zum Glück stieß ich in diesem Moment auf die Grabungsberichte der Pisaner Schiffe – am berühmten "Nave C" ("Alkedo") wurden Reste einer enkaustischen Farbe aus Wachs und Harz nachgewiesen. Versuche mit verschiedenen Anteilen dieser Bestandteile – ohne Leinöl – zeigten überragende Eigenschaften: die Farbe trocknet schnell, ist absolut wasserfest, bildet keine Risse und ist gut zu verarbeiten.
Spannend wurde es, als die Versuche, die ich mit 10-Gramm-Portionen ausführte, nun in der Anwendung mit 10 kg reproduziert werden mussten. Aber es gelang. Mit Terpentin verflüssigtes Harz und Wachs wurde in doppelbödigen Leimtöpfen erhitzt und mit Pigmenten verrührt, anschließend mit dem Pinsel aufgetragen (wie bei Plinius erwähnt). Als Pigmente wurde roter Burgunderocker (Hämatit) verwendet, weil dieses auch am Nave C sowie dem israelischen "Jesusboot" nachgewiesen werden konnte; daneben Grüne Erde und Goldocker. Die bildliche Farbvorlage ist ein Fresco von der Porticus des Isistempels in Pompeji, die Gestaltungselemente sind nach Abbildungen der Traianssäule gestaltet.
Die Farbe erwies sich als sehr geeignet für den Schiffsanstrich – sie glättet Unebenheiten wie Nagellöcher, Risse im Holz, raue Stellen ein und sorgt so nicht nur für Farbgebung, sondern auch für Abdichtung, worauf mehrere Textquellen ebenfalls hinweisen.
Die Bemalung dauerte für ca. 23 Quadratmeter Schiffsfläche ziemlich genau eine Woche, mit jeweils 2-3 Leuten aktiv bei der Farbbereitung und dem Anstrich. Es wurden rund 5 kg Wachs, 3 kg Harz und 5 Liter Terpentinöl verarbeitet; dazu kommen 1,2 kg Burgunderocker, 2,5 kg Grüne Erde und 1 kg Goldocker (sowie kleinere Mengen Kremerweiss und Rebenschwarz).
Die Schiffsbemalung wurde im Februar bei konstanten Temperaturen im Minusbereich durchgeführt, tagsüber konnte das Zelt, in dem die Herstellung stattfand, auf ca. 15° C erwärmt werden, nachts sank sie schnell auf -10° C.
Während der Erprobung des Schiffes auf dem Dechsendorfer Weiher Ende März stieg die Temperatur sprunghaft auf +20° C, gleichzeitig strahlte die Sonne. Das Schiff erwärmte sich und die Farbe begann zu schmelzen, besonders das Hämatit-Rot (Eisenoxid) bildete Tropfnasen. Seitens der Projektleitung wurde der Versuch abgebrochen und eine Farbmischung unter Verwendung moderner Zutaten verwendet. Weitere Informationen kamen mir nicht mehr zu.
Mit dem Abbruch des Versuchs der "FAN" setzte ich weitere Versuche mit Harz, Wachs und teilweise auch wieder Leinöl fort. Die Ergebnisse lauten wie folgt:
Eine der wichtigsten Informationen, die ich von Joy Mazurek vom "APPEAR" Projekt bekam, betraf die universelle Verwendung und die chemischen Eigenschaften von Bleiweiß. Dieses Pigment härtet Ölfarben aus und verwandelt die Farbe in eine harte, widerstandsfähige Schicht. Sein Fehlen in der Farbe der "FAN" führte letztlich zur mangelnden Härte der Wachsschicht und den desaströsen Ergebnissen im Sommer 2018.
Ein wichtiges Ziel ist deshalb die Nachschöpfung der Eigenschaften des Bleiweiß mit modernen, nicht-toxischen Sikkativen; das wird die größtmögliche Annäherung an antike Wachsfarben ergeben, die uns im legalen Rahmen möglich ist.
Ich hätte nie gedacht, dass "trocknende Farbe" so ein spannendes Forschungsthema abgeben kann.